Eine neue Diskussionskultur entwickeln!

Sophie Sumburane am 14.03.18 zur Eröffnung der Leipziger Buchmesse

Am 25. September 2017, dem Tag nach der Bundestagswahl, bei der mit der AfD eine rechte Partei in den deutschen Bundestag einziehen konnte, als nun stärkste Oppositionspartei, schrieb ich folgende Worte: Ich habe Angst vor der AfD. Ich habe Angst, vor dem Menschenbild, dass sie schürt, vor dem Hass den sie sät, den meine Kinder nicht verstehen können, den ich nicht verstehen will.

Und heute? Am Tag der Wahl unserer ewigen Bundeskanzlerin, stehe ich nun hier, und habe noch immer Angst. Vor der Zukunft, vor dem, was noch aus dieser Partei kommt aber auch vor denen, die die AfD wählen. Denn niemand, der mit offenen Augen durch die Gegend läuft, kann mehr sagen, er habe nicht gewusst, dass die AfD rechts ist. Niemand kann mehr sagen: ich bin AfD-Wähler, aber! Wer diese Partei wählt, ohne rechts zu sein, muss sich sagen lassen, dass er dem Hass gegen Menschen den Boden bereitet. Ihn erst möglich macht. Denn was wäre ein Gauland oder ein Höcke ohne die, die ihnen zuhören und zujubeln und sie wählen? Doch nur traurige Gestalten, die man ignorieren kann. Doch diese Menschen kann man nicht mehr ignorieren, sie sind da und sie sind laut und sie sagen beinahe jeden Tag in unserem „Hohen Haus“ oder in den Sozialen Medien Dinge, die mich aufschrecken lassen und mir immer wieder aufs Neue Angst machen. Denn schon in den vergangenen vier Monaten kam so vieles für mich unfassbares, dass es allein mit Worten kaum mehr schlimmer werden kann.

Vom Aufruf zum Boykottieren der Türkenläden, über den Wunsch, den Kulturbetrieb zu „entsiffen“, die Drohung an die Gesellschaft für Politische Schönheit auf Twitter mit einem großen Messer, bis hin zur Verharmlosung und Leugnung des Holocausts war bereits alles und noch viel mehr dabei, in dieser Fraktion, die vorgibt eine demokratische zu sein.

Und was passiert in Deutschland? Gibt es einen großen Aufschrei? Ein Absetzen der Partei? Wenigstens ein Beobachten durch den Verfassungsschutz? Eine rasante Austrittswelle? Ein Absturz in den Umfragewerten? Nein. Diese Menschen werden also gewählt, weil sie solche Dinge sagen und nicht trotz dessen. Und das schockiert mich.

In den Sozialen Medien reagieren die Menschen, die anders denken: Ein kurzes: Au weia! Das darf der nicht sagen! Und Schluss. Und wieder wurde die rote Linie ein Stück nach rechts gerückt. Und wieder geht ein anderer AfD-„Politiker“ beim nächsten Mal noch einen Schritt über die Linie und zieht sie hinter sich her.

Rechte Gedanken zu äußern wird als „Das wird man ja noch sagen dürfen“, verniedlicht, ein Rechter, der auf „Ausländer“ einsticht, wollte „ein Zeichen gegen die Flüchtlingspolitik setzen“. Durch einen versuchten Mord? So Bagatellisiert man rechte Gewalt!

Ich wünsche mir, dass ihr, dass wir zusammen, eine neue Diskussionskultur entwickeln, weniger geprägt vom Reagieren auf das, was die tun und sagen, als viel mehr durch unser Agieren, im Glauben an Menschlichkeit und ein friedliches Miteinander. Wir zeigen, wie schön ein Leben ohne Angst und Hass sein kann, statt auf Hass mit Angst und Gegenhass zu reagieren. Wir brauchen eine Kultur, in der die die Aussenseiter sind, die sagen: ein Mensch muss so und so sein!

Ich für meinen Teil weiß nicht, wie ein Mensch sein muss, damit es ein guter Mensch ist, einer der das Recht hat, zum Beispiel mein Nachbar zu sein. Ein Mensch ist ein Mensch, der selbst entscheiden können sollte, wo er wohnen und leben will, in Frieden und sozialer Sicherheit, egal wie das Land heißt, in dem das Haus steht. Und ich wünsche mir, dass wir an einen Punkt kommen, an dem wir nie wieder sagen müssen: Alle Menschen sind gleich, egal welche Hautfarbe sie haben, welches Geschlecht sie haben oder mal hatten, welches Geschlecht sie lieben oder welcher demokratischen Gesinnung sie nachgehen. Ich wünsche mir, das wir einen jeden einfach als Person wahrnehmen, ohne Differenzierungen oder Zuschreibungen irgendwelcher Kategorien zu bemühen. Dass all das irgendwann obsolet ist, dass wir uns gegenseitig einfach nur respektieren und nicht kommentieren. Und nicht verlangen, irgendwer müsse erstmal irgendwas ablegen, einen Teil seiner Kultur hinter sich lassen, als wäre eine andere Kultur als die eigene minderwertig, um zu meiner gehören zu können. Statt vom Ablegen und Loswerden und Einschränken zu sprechen, sollten wir es Bereicherung nennen. Sprache ist ein mächtiges Werkzeug, das wussten schon die Nazis, jetzt wissen es die neuen Nazis und wir sollten es auch nicht vergessen! Und darum ist es gerade für uns, Autorinnen und Verlegerinnen, Journalistinnen und Rednerinnen, Menschen, die eben mit Worten arbeiten, so wichtig, sich gegen die Durchsetzung unserer Sprache mit Begriffen, die schon Viktor Klemperer in LTI analysierte zu wehren und unsere Sprache, wie wir über Menschen, die hier leben oder hier leben wollen, positiv zu besetzen, statt gegen negative Begriffe anzureden.

Für diese Buchmesse aber erstmal wünsche ich mir, dass wir uns entschieden und laut gegen rechts, gegen die AfD und ihre Politiker, gegen die rechten Verlage, die ihre Propaganda verteilen, stellen. Dass wir zeigen, dass WIR die Mehrheit sind, nicht sie.

Ich wünsche mir, dass wir, wenn wir auf der Straße sehen, wie jemand beleidigt wird, hinsehen und eingreifen, statt abzuwinken. Ich wünsche mir, dass wir, wenn wir durch die Messehallen gehen, miteinander durch die Gänge gehen, statt aneinander vorbei.

Ich wünsche mir, dass ihr zu den vielen aktiven Verlagen, die sich bei #Verlagegegenrechts positioniert haben, ob linker Verlag, oder liberaler, konservativer, grüner, indi oder Spartenverlag, ob Ebook oder Kunstbuch Verlag, dass ihr zu denen geht, die sich engagieren, zur Amadeu Antonio Stiftung, Dem PEN Deutschland und den Verantwortlichen die Hand gebt, ihnen Mut macht und Kraft gebt durch eure Unterstützung. Denn Gegenwind, und das weiß ich leider zur Genüge aus eigener Erfahrung, erfahren jene, die sich laut und bestimmt gegen Populisten stellen, mehr als genug. Und oft sehr heftig. Was dagegen oft fehlt, ist das Boot, dass uns über die stürmischen Gewässer hilft. Lasst uns das Boot sein. Ein jeder für sich, wir alle gemeinsam. Gemeinsam gegen rechts, heute, morgen, immer.

Foto: Copyright Martin Jehnichen

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