Veranstaltungen Leipziger Buchmesse 2023

PDF-Dokument mit allen Veranstaltungen zum Herunterladen

Donnerstag 27.4.23

Diskriminierungssensibles Übersetzen

Donnerstag, 27.4., 12.30-13.30 Uhr
Sachbuch & Wissenschaft Halle 2, D500

Sprache prägt das Bewusstsein, die Weltsicht. Es ist längst klar, dass unser althergebrachter Sprachgebrauch nicht nur viele Menschen ausklammert und unsichtbar macht, sondern auch verletzt, Vorurteile festschreibt und Diskriminierungen selbstverständlich erscheinen lässt. Ein sensibler, bewussterer Umgang mit Sprache wird schon länger nicht nur von Betroffenen gefordert, aber so richtig voran geht es erst seit wenigen Jahren – gegen teils heftigen Widerstand aus konservativen Reihen. Wir diskutieren darüber, warum und wie manche Klassiker der Literaturgeschichte neu übersetzt werden müssen, welche heiklen Fragen die Literatur der Gegenwart aufwirft, wie sich Fußnoten und Erklär-Exzesse vermeiden lassen oder auch nicht, welchen Herausforderungen sich die literarische Übersetzung im Gegensatz zum Sachtext stellen muss, welche Hilfsmittel und Angebote es bereits gibt – und vieles mehr.

Moderation: Ilke Sayan, Booktuberin und Moderatorin
Teilnehmende: Anna von Rath, Übersetzerin und Social Justice und Diversity Trainerin; 
Patricia Klobusiczky, Literaturübersetzerin und Dozentin; 
Victoria Linnea, Lektorin und Sensitivity Readerin.

Der zähe Kampf für Klimagerechtigkeit

Donnerstag, 27.4., 14.30-15.30 Uhr
Sachbuch Halle 4

Kaum ein Protest ist derzeit so kraftvoll und medienpräsent wie der der Klimabewegung. Zuletzt gingen die Bilder der Räumung von Lützerath um die Welt. Die politischen Versprechen bleiben indes uneingelöst, das globale Wirtschaftssystem unangegriffen. Dabei ist der Klimawandel kein Problem der Zukunft, das die weiße Mittelschicht mit Plastik- und Fleischverzicht individualistisch lösen kann, sondern gewaltvolle Realität in vielen Ländern des Globalen Südens. Welche Perspektiven hat der Kampf um Klimagerechtigkeit? Wie wird es möglich sein, sich nicht von Frust und drohenden Strafen bremsen zu lassen? Nicht zuletzt stellt sich im Rahmen der Messe auch die Frage, welche Wege es aus der Klimaschädlichkeit der Buchbranche gibt.

Rechte Angriffe auf den Kulturbetrieb

Donnerstag, 27.4., 16.15-17 Uhr
Forum Offene Gesellschaft, Halle 4 E101

2017 wurde der von Rechten ausgerufene Kulturkampf gegen den liberalen Kulturbetrieb durch verbale und gewaltvolle Attacken schmerzhaft spürbar. In dieser Zeit wurde der Aufruf von „Verlage gegen Rechts“ von vielen Verlagen und Verlagsmenschen unterzeichnet. Im selben Jahr schlossen sich zahlreiche Kulturinstitutionen und -schaffende unter dem Namen „Die Vielen“ zusammen und verpflichteten sich, schriftlich solidarisch untereinander zu sein und in die politische Diskussion zu gehen. Beide Initiativen erhielten eine große Medienresonanz, positiv wie kritisch, und einigen Shitstorm, aber wie hat sich der eigene Anspruch eingelöst? Von ihren Erfahrungen erzählt eine der Initiator*innen von „Verlage gegen Rechts“, Zoë Beck. Seine Veröffentlichung „Volkstheater. Der rechte Angriff auf die Kunstfreiheit“ wird der Journalist Peter Laudenbach vorstellen. Außerdem wird der Autor und Filmemacher Su Turhan berichten, ob sich die Kulturlandschaft denn überhaupt so divers ausgestaltet hat, wie von rechter Seite beargwöhnt. 

Mitwirkende: Zoë Beck (Autorin, Übersetzerin, Verlegerin von Culturbooks), Peter Laudenbach (SZ-Journalist und Autor von „Volkstheater“), Su Turhan (Regisseur, Drehbuchautor, Schriftsteller)
Moderation: Lena Luczak (Wagenbach Verlag)

Freitag 28.4.23

„Wir lassen uns nicht unterkriegen“ – Junge jüdische Aktivist:innen in Deutschland 

Freitag, 28.4., 11.30-12.15 Uhr
Forum Offene Gesellschaft, Halle 4 E101

Viele junge Jüdinnen*Juden haben in der Vergangenheit immer wieder mutig das Wort ergriffen. Haben dafür gekämpft, was sie für richtig halten und woran sie glauben. Sie haben um ihre Vision einer gerechten Gesellschaft gerungen. Heute leben mindestens 25.000 von ihnen im Alter zwischen 18 und 35 Jahren in Deutschland. Ihr Engagement in den unterschiedlichsten Bereichen unserer Gesellschaft ist angesichts der virulenten Bedrohung durch den Antisemitismus alles andere als selbstverständlich. Doch wer sind diese jungen Menschen, die sich zu Wort melden? Was treibt sie an? Wie steht ihr politisches Engagement im Zusammenhang mit ihrer jüdischen Identität? 

Monty Ott und Ruben Gerczikow stellen im Gespräch mit Nora Pester ein Kaleidoskop jüdischer Identitäten vor, das im Widerspruch zu der erinnerungskulturellen Festschreibung von Jüdinnen*Juden als passive Opfer steht. Sie bieten jungen jüdischen Menschen ein Forum, auf dem sie von ihrem vielfältigen politischen Engagement und ihren Kämpfen berichten. Sie erzählen davon, wie eine junge Generation von Jüdinnen*Juden ein starkes Selbstbewusstsein entwickelt hat, mit dem sie diese Gesellschaft verändern wollen.

Mitwirkende: Ruben Gerczikow, Monty Ott
Moderation: Dr. Nora Pester

Körperliche und sexuelle Selbstbestimmung

Freitag, 28.4., 14.30-15.30 Uhr
Sachbuch Halle 5, C700

Körperliche und sexuelle Selbstbestimmung ist Ziel von queeren und feministischen Kämpfen seit Jahrzehnten. Dabei laufen Fortschritte parallel zu globalen Rückschritten. Was für Perspektiven und Visionen verbergen sich hinter der Forderung nach Selbstbestimmung? Dinah Riese macht deutlich, wie Bevölkerungspolitik bis heute reproduktive Gerechtigkeit verhindert, und zeigt anhand der Themenkomplexe Verhütung, Geburt, Abtreibung und Fortpflanzungstechnologie auf, was zu tun ist. Mohamed Amjahid hingegen richtet in seinem Buch den Blick auf das Thema Sexualität in Nordafrika, um es von rassistischen Vorurteilen und Stereotypen zu befreien. Aus seinem Feldforschungstagebuch berichtet er dabei auch über den nordafrikanisch-nahöstlichen Feminismus, der in der queeren Szene hier kaum bekannt ist.

Mitwirkende: Dinah Riese „Selbstbestimmt. Für reproduktive Rechte“ (Wagenbach) und Mohamed Amjahid (Let’s Talk About Sex, Habibi, Piper)

Zur Feministischen Revolution im Iran

Freitag, 28.4., 16:15-17 Uhr
Forum Offene Gesellschaft, Halle 4 E101

Bereits seit 44 Jahren herrscht im Iran ein islamisches Regime, das weltweit eins derjenigen ist, die am brutalsten gegen Frauen(rechte) vorgehen. Genauso lange wehren sich vor allem Frauen gegen die islamische Herrschaft, verstärkt seit dem gewaltsamen Tod der Kurdin Jina Mahsa Amini im September 2022 gehen zahlreiche Menschen auf die Straßen, um das islamische Regime zu stürzen. Es sind vor allem Frauen und Mädchen, die diesen revolutionären Prozess unter dem Motto „Jin, Jiyan, Azadî“ (kurdisch für „Frauen, Leben, Freiheit“) in Gang gebracht haben. Sie sind nicht länger bereit, ihre Haare zu bedecken und sich den islamischen Regeln, d.h. Einschränkungen aufgrund ihres Geschlechts, anzupassen. Inzwischen haben sich auch Männer dem Widerstand, der über alle ethnische und Klassenzuschreibungen hinweg geht, angeschlossen.
Bis jetzt (Januar 2023) wurden seither bereits über 19.000 Demonstrierende verhaftet und Unzählige zum Tod verurteilt.
Unabhängige Berichterstattung wird vom iranischen Regime systematisch verhindert. Im Land selber z. B. wird die Kommunikation über das Internet, also auch über die Sozialen Medien, erschwert und zensiert. Es soll deutlich gemacht werden, wozu öffentlicher Protest führt: zu Verhaftungen und Hinrichtungen.
Wie sieht die Situation inzwischen aus? Wie können wir die Protestierenden, vor allem die Frauen und Mädchen dort unterstützen?

Mitwirkende:
– Sanaz Azimipour ist Aktivistin, Mathemathikerin und Mitgründerin von MigLoom e.V. und der Kampagne „Nicht ohne Uns 14 Prozent “. Sie hat Wirtschaftsmathematik, Logik und Genderstudies studiert und schreibt am liebsten über Intersektionalität, soziale Gerechtigkeit und Feminismus.
– Daniela Sepehri ist Social-Media-Redakteurin beim vorwärts und Aktivistin für die Themen Feminismus und Anti-Rassismus, aktuell vor allem Iran-Aktivistin.

„Zugang verwehrt“ und Gespräch über Klassismus(kritik)

Freitag, 28.4., 18 Uhr, Kooperation mit ND
Interim Linnxnet

In dem Buch »Zugang verwehrt« schildert Francis Seeck, wie Menschen wegen ihrer Klassenherkunft und Klassenposition in unserer Gesellschaft diskriminiert werden. Seeck, Sozialwissenschaftler*in, Antidiskriminierungstrainer*in und Expert*in für Klassismuskritik, stammt selbst aus »armen Verhältnissen«, die Eltern rutschten nach der Wende in die Langzeitarbeitslosigkeit. Vor diesem Hintergrund und den Erfahrungen als Aktivist*in berichtet Seeck, welche weitreichenden Folgen die Klassenherkunft haben und wie sie sich von Geburt an auf das weitere Leben auswirken kann – oft über den Tod hinaus. So sind etwa der Zugang zu Bildung oder Gesundheitsversorgung stark von der Klassenposition geprägt – bis zur Art, wie wir bestattet werden. Dass Klassismus sogar lebensbedrohlich werden kann, zeigt, wie wichtig es ist, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Doch die Schere zwischen Arm und Reich geht seit Jahren immer weiter auseinander, die Schranken zwischen den Klassen verfestigen sich. Trotzdem wurde Klassismus bislang kaum beachtet. Das muss sich dringend ändern! Denn nur wenn wir uns mit Klassismus auseinandersetzen, ist eine sozial gerechte Gesellschaft möglich.

Diskussion mit Francis Seeck und Verlage gegen Rechts
Mitwirkende: Francis Seeck (Autor*in) und Lisa Mangold (Moderation)

Samstag 29.4.23

Gegengewicht – Gemeinsam Gesellschaft verändern

Samstag, 29.4., 14-15 Uhr
Forum Die Unabhängigen, Halle 5, D313

In politischen Bündnissen zusammenschließen, streiken, publizieren, demonstrieren – alles Möglichkeiten, Gesellschaft zu gestalten und zu verändern. In unserer Gesellschaft werden manche Personengruppen bevorzugt, andere unterdrückt. Gewalt gegen Frauen und queere Menschen, Rassismus, Queerfeindlichkeit und Ausgrenzung von Menschen mit Behinderung beispielsweise stärkt die Mächtigen. Dagegen wehren sich Menschen, indem sie ihre Perspektive öffentlich machen, sich Raum nehmen und sich organisieren.  

Referentinnen:
Nora Kellner („OpferMacht Klartext reden über sexualisierte Gewalt“, Unrast) 
Lisa Mangold für das Kollektiv MF3000 („Verändern wir die Welt, sie braucht es“, Querverlag) 
Şeyda Kurt („HASS – Von der Macht eines widerständigen Gefühls“, HarperCollins)
Moderation:
Mohamed Amjahid „(Let’s Talk About Sex“, Habibi, Piper)

Die Veranstaltung wird gestreamt: https://youtube.com/live/pfosOg-v7yQ

Utopien praktisch umsetzen: Die Idee der Vergesellschaftung 

Samstag, 29.4., 16.15-17 Uhr
Forum Offene Gesellschaft Halle 4, E101

Für viele ist Privateigentum Ausdruck von Freiheit – und Enteignung somit ein Eingriff in diese Freiheit und eine Gefahr für die Demokratie. Dazu konträr ist für viele (Wieder-)Aneignung eine aktuelle soziale Forderung. Die Mehrheit der Berliner*innen haben in einem Volksentscheid für die Vergesellschaftung von Wohnraum gestimmt. Die Idee: Private profitorientierte Immobiliengesellschaften, die mehr als 3.000 Wohnungen in Berlin besitzen, sollen nach Artikel 15 GG enteignet werden, um ihre Bestände in Gemeineigentum zu überführen. Was steckt hinter dieser Idee und ist eine Umsetzung realistisch?
Wir wollen über die Vision der Enteignung, historische Bezüge und soziale Ängste sprechen. 

Teilnehmende:
Bana Mahmood ist Teil der Berliner Bürgerinitiative „Deutsche Wohnen und Co enteignen“.
Kerstin Wolter, Co-Vorsitzende von DIE LINKE Berlin/Friedrichshain.

Bücher machen: Wer kann sich das leisten? Über Kulturprekariat & Klassismus

Samstag, 29.4., 16.30-17.30 Uhr
Sachbuch & Wissenschaft Halle 2, D500

Büchermachen ist auch eine Klassenfrage. Wer wird wie gefördert: in der eigenen kreativen Entwicklung oder auch durch staatliche Kulturfinanzierung? Literarische Übersetzer*innen und die meisten Autor*innen in Deutschland verdienen wenig Geld mit ihrer Arbeit. Viele unabhängige Verleger*innen haben zusätzliche Jobs oder sind auf finanzielle Unterstützung durch Geldgeber*innen, privat und staatlich, angewiesen. Was macht das mit den Menschen, die in der Literaturbranche arbeiten – und was mit den Büchern? 

Mitwirkende:
– Francis Seeck, 1987 in Ostberlin geboren, ist promovierte Sozialwissenschaftler*in und Antidiskriminierungstrainer*in. Als Kind einer alleinerziehenden, erwerbslosen Mutter erlebte Seeck schon früh die Auswirkungen der Klassengesellschaft. 2022 erschien die Streitschrift  „Zugang verwehrt“ bei Atrium, in der Seeck sich mitunter Klassismus im Kulturbetrieb widmet.
– Dinçer Güçyeter ist Verleger vom ELIF Verlag, den er 2011 gründete, sowie Mitgründer der Schirftstellervereinigung PEN Berlin. Seinen Verlag finanziert Güçyeter als Gabelstaplerfahrer in Teilzeit quer. Auf der Leipziger Buchmesse bekommt der ELIF Verlag den Kurt-Wolff-Förderpreis verliehen.
– Marieke Heimburger arbeitet als Literaturübersetzerin. Sie beschäftigt sich mit Lebens- und Arbeitsbedingungen von Übersetzer:innen in Deutschland. Mehrfach war sie bereits Stipendiatin des Deutschen Übersetzerfonds und erhielt Förderungen von der Dänischen Kulturbehörde. Sie ist außerdem erste Vorsitzende des Verband deutschsprachiger Übersetzer/innen literarischer und wissenschaftlicher Werke e.V. (VdÜ).
– Moderation: Lisa Mangold
Lisa Mangold moderiert die Veranstaltung. Sie arbeitet als Gewerkschaftssekretärin bei ver.di. Aktuell hat sie gemeinsam mit Kolleg*innen ein Modell zur gerechten und transparenten Bezahlung von selbstständigen Kulturschaffenden entwickelt. Als Teil des Kollektivs MF 3000 hat sie „Ändern wir die Welt, sie braucht es! Eine marxistisch-feministische Ansage“ veröffentlicht (Querverlag). Sie ist Mitinitiatorin der Initiative Verlage gegen Rechts. 

Sonntag 30.4.23

Queer im Klassenzimmer

Sonntag, 30.4., 14-15 Uhr
Forum Sachbuch, Halle 4 E100

Inzwischen gibt es in immer mehr Schulen Queer AGs, in denen sich LGBTIQ-Jugendliche treffen und vernetzen können. Wie sieht der Alltag queerer Schüler*innen aber zurzeit aus? Drei Schüler*innen erzählen lebendig und reflektiert über ihre Erlebnisse – im Klassenzimmer, unter Gleichaltrigen und im Austausch mit Lehrenden. Diese Veranstaltung richtet sich insbesondere auch an Lehrer*innen und pädagogische Fachkräfte.

Moderation: Mio Proepper, Erziehungswissenschaftlerin, arbeitet im Bereich der politischen Bildung und lebt in Berlin. 
Mitwirkende: Moxxie, Leolo und Tonie (Schüler*innen aus Leipzig und Umgebung).